Auch in diesem Jahr ist der Hochsommer fotografisch gesehen wieder mal nicht meine Jahreszeit đ Bis es in knapp 2 Wochen endlich wieder auf Reisen geht, nutze ich die Zeit fĂŒr ein paar Themen, auf die ich ohnehin mal in meinem Blog eingehen wollte.
Â
Heute geht es um Gegenlichtperspektiven, die ich in den letzten Jahren â wenn irgendwie machbar- bevorzugt aufsuche. Schon die Planung im Vorfeld spielt dabei eine groĂe Rolle. Auch der AF spielt im Gegenlicht schonmal verrĂŒckt und auch einige andere Punkte sind nicht leicht zu hĂ€ndeln.
Â
Allerdings werde ich heute vor allem den Fokus auf die richtige Belichtung setzen und dabei auf Themen eingehen, die wĂ€hrend der Fotosesssion in diesem Zusammenhang wichtig sind. Dieser Artikel richtet sich an Ein- und Aufsteiger der beiden Genre und hat keinen Anspruch darauf, alle Aspekte des Themas aufzugreifen. Ich möchte einfach ein paar Gedanken zu den typischen Herausforderungen aufgreifen, da mir entsprechende Fragen regelmĂ€Ăig in meinen Coachings gestellt werden.Â
1. Landschaftsfotografie
Ein typisches Problem in der Landschaftsfotografie ist ja ein hoher Dynamikumfang, also der Helligkeitsunterschied zwischen den dunklen Stellen (âTiefenâ) eines Bildes und den hellen Anteilen (âLichterâ), wenn man ins Gegenlicht fotografiert. Ich werde das im Artikel auch manchmal âSpreizungâ nennen.
Â
Gerade bei Seascapes wĂŒrde ich trotzdem immer empfehlen in Richtung Sonne zu fotografieren, da ich schon den ein oder anderen frustrierenden Moment hatte, wenn ich mit der Sonne im RĂŒcken fotografiert habe. Auch wenn sich der Himmel grundsĂ€tzlich natĂŒrlich in jede Richtung fĂ€rben kann.
Â
Die Wahrscheinlichkeiten sind jedoch sehr unterschiedlich. Mit dem Sonnenauf- oder Untergang im RĂŒcken passiert es einfach hĂ€ufig, dass sich (ab Horizont betrachtet) 100° des gesamten Himmels hinter mir in spektakulĂ€rer Weise fĂ€rbt - aber nicht die 60° vor mir, die ich gerade fĂŒr meine Bildkomposition Richtung Meer brauche. Das ist auch ein Grund, warum ich gerne z.B. im Winter an der Algarve fotografiere â morgens kann man an der SĂŒdkĂŒste Richtung SĂŒdosten fotografieren, nachmittags an der Westalgarve Richtung Sonnenuntergang.
Â
Als Beispiel habe ich euch eine Aufnahme heraus gesucht, die ich noch gar nicht im Blog gezeigt habe â gleichzeitig ist sie eine meiner Lieblingsaufnahmen aus diesem Jahr. FĂŒr ein solches Licht benötige ich erstens Gegenlicht und zweitens die FĂ€rbung recht nah ĂŒber dem Horizont. Hier waren nur ca. 40° des Himmels ĂŒber dem Horizont orange/magenta gefĂ€rbt.
Daher sind auch Spots toll, wo man in fast alle Himmelsrichtungen fotografieren kann â das ist aber an den meisten KĂŒstenabschnitten Westeuropas nicht möglich. Doch zurĂŒck zur Belichtung.
Â
Ich nutze zuerst einmal einen Grau-Verlaufsfilter, um die o.g. Spreizung etwas zu reduzieren. Technisch betrachtet braucht man diesen nicht, wenn man spĂ€ter ohnehin ein HDR zusammensetzt. Allerdings komme ich gerne vor Ort auf dem Display meinem spĂ€teren Bild so nah wie möglich. An dieser Stelle gibt es keinen Deep-Dive in die Filter-Thematik, sondern ich kĂŒrze das Thema ab: fĂŒr Seascapes und die meisten Landschafts-Szenen nehme ich zu 90% einen 0,9 soft Grauverlauffilter (âGNDâ).
Â
Das reicht aber noch nicht. Denn mit dem gleichen Grad der Bearbeitung wie beim oberen Bild sÀhe das Bild mit dem Filter erstmal ungefÀhr so aus:
Die Spreizung ist hier immer noch zu stark. In dieser Variante vermisse ich dadurch die schönen und vor Ort mit dem menschlichen Auge klar zu erkennenden lila Farben der Wasserpflanzen.
Â
NatĂŒrlich könnte ich dies als Einzelbild noch stĂ€rker bearbeiten, sodass es am Ende Ă€hnlich aussehen wĂŒrde, wie die obere Variante, die ein zusammengesetztes HDR ist. Hier sind jedoch die Tiefen schon deutlich aufgehellt und alles weitere ginge zu Lasten der BildqualitĂ€t an vielen Stellen (Rauschen/Details/FarbenâŠ), gerade wenn man das Bild spĂ€ter mal gröĂer drucken möchte.
Â
Daher nutze ich fĂŒr solche Situationen mittlerweile deutlich hĂ€ufiger die Bracketing-Funktion meiner Kamera und setze spĂ€ter mehrere Bilder per Lightroom als HDR zusammen. Vor allem der Himmel ist dann im Ergebnis hĂ€ufig harmonischer.
Â
Da ich fast nie bei starkem/weiĂlichem Gegenlicht fotografiere, brauche ich beim Bracketing keine groĂe Spreizung und auch nicht viele Bilder. Ich nehme in 90% der Situationen folgende Einstellungen:Â Anzahl der Bilder 3 oder 5 und Spreizung der Belichtung: 0,7 oder 1,0.
Â
Egal, ob ich dann 3 oder 5 Bilder produziere â ich schaue mir spĂ€ter am Rechner an, wieviel Bilder ich fĂŒr das HDR wirklich brauche. FĂŒr die vorliegende Szene habe ich meine Standard-Einstellung genutzt, 3 Bilder mit 0,7 Spreizung. In Lightroom habe ich nur das dunkelste und hellste zusammengesetzt, also -0,7 und +0,7.
Â
So fotografiere ich meist auch andere Naturdetail-Szenen (Pflanzen & Farbenformen). Also mit Bracketing, da mir nach meiner Erfahrung immer wieder mal zu einem spÀteren Zeitpunkt eine hellere oder dunklere Belichtung besser gefÀllt. In diesen Genre meist nur je 3 Aufnahmen und 0,7 Spreizung. Hier geht es also um die beste Einzelaufnahme und gar nicht darum, einen hohen Dynamikumfang in den Griff zu bekommen.
Â
Insgesamt ist das kein Hexenwerk und eine schnell zu lernende Vorgehensweise. Anders als beim folgenden Kapitel.
2. In der Wildlife-Fotografie
Bei dieser Art der Fotografie ist das Vorgehen in meinen Augen deutlich schwerer. Statt einer bestimmten Belichtungstechnik muss ich die Dinge viel stĂ€rker vor Ort perspektivisch lösen und das bedarf auch einfach Erfahrung â je mehr desto besser.
Â
Das liegt zum einen daran, dass ich bei diesen Motiven schonmal keine HDR-Technik anwende. SchlieĂlich arbeite ich dann mit einer hohen Serienfrequenz, um den âperfekten Momentâ einzufangen, da die Motive meist nicht statisch sind. Bedeutet, dass ich per Einzelaufnahme nicht derart groĂe Helligkeits-Unterschiede einfangen kann wie in der Landschaftsfotografie.
Hinzu kommt, dass ich i.d.R. höhere Iso-Werte nehme. Da mich persönlich oft extrem weiches Licht und schöne FÀrbungen bei Sonnenauf-und Untergang interessieren, lande ich fast immer bei > Iso 1000. Vor allem zwischen Iso 2000 und 6400.
Â
Trotz mittlerweile ganz toller Entrauschungs-Tools (LR, DxO, TopazâŠ) kann man aus solchen Aufnahmen in der spĂ€teren Bearbeitung auch nicht so viel ârausholenâ wie z.B. aus einer Landschafts-Langzeitbelichtung auf Iso 64. Und doch geht es vielen fortgeschrittenen Wildlife-Fotografen wie den Landschaftsfotografen: ich möchte trotz Gegenlichtsituation möglichst noch Zeichnung auf meinem Hauptmotiv, so wie hier zum Beispiel:
Das ist aber nicht leicht herzustellen. Schnell passiert es, dass entweder die Motive (Tiere) schwarz sind und nur noch als Silhouette erkennbar sind oder sich -zum Beispiel bei Meeresreflektionen oder der Sonne- weiĂliche (technisch ausgebrannte oder ausgebrannt wirkende) Stellen im Bild zu sehen sind. Letzteres ist fĂŒr mich ein klares Ausschlusskriterium.Mit den Silhouetten wiederum ist es so, dass sie in seltenen FĂ€llen passen können. In den meisten Situationen sieht aber eine schöne Zeichnung auf dem Tier harmonischer aus, wie im Beispielbild oben.Â
Um ein "Absaufen" oder "Ausbrennen" zu vermeiden, wende ich im Wesentlichen 3 Stellhebel an, und zwar in dieser Reihenfolge:
- Die Perspektivwahl vom genauen Zeitpunkt abhÀngig machen
- Kleinste Bereiche zur Auswahl der Hintergrundfarbe nutzen
- Position und Aufnahmewinkel prÀzisieren, wenn die Sonne im Frame ist
Das möchte ich etwas genauer erklÀren, am Beispiel der Fotografie einer Papageitaucherkolonie:
1. Zeit und Perspektivwahl:
Solange direktes Licht auf diese Motive fĂ€llt (speziell bei Vögeln mit weiĂem Brustgefieder; bei SĂ€ugetieren z.B. wĂ€re das etwas anders) und ich die Sonne im RĂŒcken habe, drĂŒcke ich so gut wie gar nicht mehr auf den Auslöser. Selbst 20-60 min vor Sonnenuntergang im (noch nicht besten aber durchaus schönen) Abendlicht. Das liegt nicht an der Ausleuchtung des Vogels, sondern vor allem an der FĂ€rbung des Hintergrundes. Solche weichen und ungewöhnlichen Farbtöne bekomme ich ansonsten nicht kreiert:

Im Prinzip ĂŒberbelichte ich ja hier den Hintergrund â und das geht nicht, wenn der (teilweise weiĂe) Vogel ohnehin schon gut ausgeleuchtet ist, dann wĂŒrde er am Brustgefieder âausbrennenâ.
Â
Sowohl Farbton als auch die Helligkeit bekomme ich sonst also nicht dargestellt. Genau deshalb fotografiere ich zu solchen Zeiten fast nur abgeschattet oder im Gegenlicht. Ich nutze also durchaus diese Zeit (20-60 min vor SU) und gehe direkt bewusst ins Gegenlicht. Gerade mit dem Ziel, dass FlĂŒgel durchleuchtet sind, braucht man ohnehin noch eine gewisse IntensitĂ€t der Sonne. Im folgenden Beispiel habe ich genau das getan, es war so eine Mischung aus Streif- und Gegenlicht:
Was das fĂŒr die Praxis bedeutet: Wenn ich also einen Vogelfelsen betrete (gilt eigentlich grundsĂ€tzlich bei meiner Vogelfotografie), fange ich nicht einfach dort an zu fotografieren, wo "Offensichtliches passiert" (sich Tiere möglichst interessant verhalten oder sehr nah kommen oder gerade im schönen Blumen-Bokeh stehen etc), sondern: ich schaue mir erstmal die möglichen Perspektiven an, wĂ€hle dann nach den LichtverhĂ€ltnissen aus, wo ich zur jetzigen Zeit ungefĂ€hr stehen sollte und in welche Richtung ich fotografieren sollte. FĂŒr einen ausgesuchten Aufnahmewinkel und einen bestimmten Hintergrund suche ich jetzt also ein geeignetes Motiv (Vogel) oder eine passende Einflugschneise. Gerade bei einer groĂen Vogelkolonie wird man hier durchaus fĂŒndig đ
2.Auswahl des Hintergrundes:Â
Oftmals ergeben sich bei langen Telebrennweiten > 400mm enorme Unterschiede in der Helligkeit und Farbe des Himmels, bei auch nur leichtester VerÀnderung der Aufnahmeposition oder des Bildwinkels. Nehmen wir diese Aufnahme als Beispiel:
Gerade im Gegenlicht ist total entscheidend, ob ich vielleicht nochmal wenige Zentimeter weiter nach rechts, links, oben, unten meinen Standpunkt und vor allem den Bildwinkel verÀndere.
Â
In diesem Beispiel-Bild hatte man eine komplett andere FĂ€rbung bei Bewegung der Linse um nur 1-2 Zentimeter, da der lila/blaue Farbton nur an einer sehr kleinen Stelle der Landschaft auftrat - vor einem abgeschatteten, viele Kilometer entfernten BergrĂŒcken. Da der Vogel sich nicht bewegte, musste ich also exakte eine Linie zwischen dem Punkt in der Landschaft und dem Papageitaucher bilden und mich selbst solange bewegen, bis es passte.
Â
Hinzu kommt: gerade wenn ich bei Tieren eine Durchleuchtung bzw. einen solchen Saum zeigen möchte, benötige ich einen dunkleren Hintergrund. Ich suche also oftmals im ersten Schritt (mit defokussiertem Objektiv) ob ich eine interessante/gewĂŒnschte Hintergrundfarbe entdecke und versuche dann, ob ich irgendwie in die geeignete âLinieâ komme, um dann eine solche Szene zu erzeugen.
3. Aufnahmewinkel direkt Richtung Sonne
Bei diesem Punkt geht es darum, der Sonne perspektivisch sehr nah zu kommen oder sie sogar im Frame zu haben. Damit sind auch wieder neue Herausforderungen verbunden.
Â
Hier entstehen je nach Linse auch mal unschöne Artefakte, Flares etc. Einige dieser Effekte können dabei auch kĂŒnstlerisch eingesetzt werden - ich gehe aber fĂŒr diesen Artikel den Fall durch, dass man die Szene einigermaĂen klassisch, wie auf dem nachfolgenden Beispiel zu sehen, umsetzen möchte:

FĂŒr diese Bilder, direkt Richtung der untergehenden Sonne, sind erstmal die genauen Bedingungen relevant. Eine solche Aufnahme, genauer gesagt Ausleuchtung, ist nicht bei jeder untergehenden Sonne möglich, sei der Himmel noch so schön. Schnell kommt es zu einer weiĂlich Darstellung der Sonne, gerade wenn die Sonne noch zu einem Sonnenball geformt ist.
Â
In Verbindung mit dem Meer kann es sogar in manchen FĂ€lle zu einer Art âweiĂem Strichâ durch die Meeres-Spiegelung der noch zu hellen Sonne kommen. Das kann ziemlich unschön aussehen. Den Effekt gibt es auch in der Landschaftsfotografie.
Â
Nehmen wir aber an, das Licht ist nun fĂŒr eine solche Aufnahme weich genug. Auch hier, im ganz spitzen Winkel zur Sonne, entscheiden leichteste VerĂ€nderungen des Aufnahmewinkels ĂŒber Farbe, Ausleuchtung, Flares und FarbverlĂ€ufe im Bild. Mit ganz leicht meine ich wirklich im Millimeter-Bereich.
Â
Dann lohnt es also wieder sehr, den genauen Standort zu versetzen und den Aufnahmewinkel minimal zu verĂ€ndern. Ăhnlich wie bei Punkt 2 kann eine solche VerĂ€nderung auch ĂŒber die HomogenitĂ€t der Belichtung entscheiden, praktisch ĂŒber den Dynamikumfang. Oder nochmal anders formuliert: das entscheidet darĂŒber, ob ich noch Zeichnung im Gefieder habe und die tolle Kopfform des Vogels erkenne.
Â
Am Beispiel dieses Bildes: gehe ich wenige Zentimeter höher, wird der Vogel (leider auch der unschöne Felsen) wesentlich heller aber die FÀrbung des Himmels wird deutlich weniger intensiv. Gehe ich weniger Zentimeter nach unten (Papageitaucher an gleicher Stelle im Frame), dann nimmt die FÀrbung noch weiter zu, allerdings wird der Vogel immer dunkler.
Â
Das ist einfach Detailarbeit und sollte einem bewusst sein. Deshalb ist bei solchen Aufnahmen der Ausschuss oftmals sehr hoch, gerade wenn man freihand mit viel Brennweite > 600mm fotografiert. Denn alleine das minimale Wackeln der Hand fĂŒhrt schon zu stĂ€ndigen Unterschieden in der Belichtung.Â
Und das waren auch schon meine heutigen Gedanken zum Thema đ Ich hoffe ein paar interessante Einblicke waren dabei.
Â
FĂŒr uns geht es in knapp 2 Wochen nach Madeira, wo wir den zweiten Teil unserer diesjĂ€hrigen Elternzeit verbringen. Ich bin gespannt, was ich euch von dort mitbringen kann. Mehr dazu demnĂ€chst in meinem Blog đđ
Â
Viele GrĂŒĂe,
ThomasÂ