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Foto-Reisen in einer Partnerschaft

Mir wurde letzte Woche zum wiederholten Male die Frage gestellt, ob es nicht „schwierig“ sei, naturfotografische Ziele auf Reisen gemeinsam mit der Partnerin umzusetzen und ob man da nicht den fotografischen Fokus verliert.

 

Die Antwort darauf fällt mir immer leicht. Doch dieses mal dachte ich mir, das ist eigentlich ein Thema, über das man durchaus mal ein paar Gedanken im Blog teilen kann. Letztlich ist der Artikel zweigeteilt: zunächst gibt es ein paar sehr persönliche und kritische Gedanken zu dem Thema, und weiter unten ein paar konkrete Tips und Erfahrungen zur Umsetzung.

 

Ich denke, dass der finale Artikel durchaus eine „Message“ bekommen hat – diese richtet sich aber nicht an „normale“ Hobby- oder Urlaubsfotografen, sondern eher an ambitionierte Fotografen, die sehr viel Zeit in Reisen der Landschafts- oder Naturfotografie investieren. Meine Erfahrungen sind persönlich und wenn überhaupt nur zu Teilen auf andere Lebenssituationen übertragbar. Dennoch, gerade für jüngere Menschen ist vielleicht der ein oder andere interessante Impuls dabei.

Wo ich herkomme

 

Zu Beginn möchte ich kurz schreiben, was mich in dem Kontext geprägt hat. Ich selbst habe in meinem Leben zwei Leidenschaften zeitweise sehr exzessiv betrieben: 20 Jahre lang das Windsurfen und nun 16 Jahre lang die Naturfotografie, mit ein paar Jahren Überschneidung. Dabei hatte ich selbst eine Hand voll Partnerschaften und habe natürlich auch in meinem Freundeskreis immer wieder mitbekommen, wie Beziehungen im Kontext einer Reise gelebt wurden. Über die Jahre hat sich dabei mein Blick stark verändert.

 

Sowohl beim Surfen als auch in der Naturfotografie kann man abenteuerliche Projekte nicht mal eben stundenweise umsetzen, etwa wie beim Fußball- und Tennistraining oder im Fitnessstudio, wo man nach Feierabend nochmal 1-2 Stunden auf hohem Level trainieren kann.

 

Nein, viele faszinierenden Surf- und Fotospots liegen viele Fahrt- oder gar Flugstunden entfernt und erfordern mindestens ganze Tage oder gar eine Woche.

 

Schon vor mehr als zwanzig Jahren habe ich dabei häufig beobachtet, dass die PartnerInnen von „Surfcracks“ häufig bei heftigen Windbedingungen stundenlang am Strand ausharrten und der Spaß eher auf einer Seite der Beziehung stattfand. Ähnliches Bild in der Naturfotografie: da die Destination dort im Gegensatz zum Surfen meist keine warmen weißen Sandstrände sind, werden Partner und oder Kinder häufig gleich ganz zu Hause gelassen.

 

Wenn man das mal hinterfragt, ist die Aussage eigentlich immer gleich: das ist „für meinen Partner/meine Partnerin völlig in Ordnung“ (ich gender im Folgenden nicht jedes Mal, da ich dieses Verhalten in der Vergangenheit auch vorwiegend von Männern wahrgenommen habe). „Meine Partnerin nimmt sich im Gegenzug auch ihre Freiheit, praktisch eine WinWin Situation“.

 

Ich kenne heute noch Windsurfer, Kitesurfer und Naturfotografen, gerade die sehr Ambitionierten, die einen beträchtlichen Teil ihres Jahresurlaubes nicht mit dem Partner/der Familie verbringen, sondern mit Kumpels oder anderen Reisenden. Ich rede hier ausdrücklich nicht von Menschen, die einmal im Jahr für eine gute Woche abseits des Partners reisen, was ich heute noch in Ordnung finde. Sondern ich rede von einer Größenordnung von mindestens 20-60 ganzen Tagen pro Jahr. Also einem beträchtlichen Anteil des Jahresurlaubes.

 

Ganz wichtig dabei: das soll bitte auch jeder so machen wir er will, solche Themen hängen von sehr individuellen Faktoren ab. Ich habe selbst viele Jahre so agiert. Für mich selbst war jahrelang nur eines relevant: ist das nach einem ausgiebigen Gespräch für meine Partnerin wirklich OK?

Wie ich jetzt darauf schaue

 

Wenn ich selbst heute auf das Thema schaue, denke ich anders darüber. Allerdings gilt das, was ich jetzt schreibe, natürlich nur für meine Beziehung, die sagen wir mal davon geprägt ist, dass ich meine Partnerin glücklich sehen möchte. Das nachfolgende gilt nicht für Beziehungen, bei denen man nur noch aus Gemütlichkeit, Gewohnheit, Finanzen oder Kindern zusammen wohnt.

 

Heute denke ich, dass ich früher eine ziemlich egozentrische Grundhaltung hatte. Mir sind vor einigen Jahren speziell in diesem Kontext zwei Dinge bewusst geworden:

 

1. Wenn ich ständig an Wochenenden oder auf längeren Reisen ohne meine Partnerin verreise, bin ich nicht da. Nicht da, wenn Tränen fließen. Nicht da, wenn ein Unglück passiert und auch nicht da, wenn Glück passiert. Das fällt 99 mal hintereinander nicht ins Gewicht, da in der Abwesenheit gefühlt nie Spektakuläres passiert, irgendwann aber schon, ohne das man es merkt. Dabei spielt es ÜBERHAUPT keine Rolle, ob es für den Partner „OK“ war und dieser sich sogar für einen freut.

 

2. Mir wurde irgendwann klar, dass ich die schönsten und abenteuerlichsten Momente meines Lebens überhaupt nicht mit meiner Liebe teile, wenn ich weiterhin ohne sie reise. Mit dem Menschen, der mir am wichtigsten ist. Klar kann ich davon erzählen und mein Funkeln in den Augen sorgte dann auch immer für Erheiterung – Geschichten von meterhohen Wellen oder spektakulären Wetterphänomenen hören sich immer gut an. Doch am Ende ist es einfach ein Unterschied, ob man diese Momente gemeinsam erlebt, gerochen, geschmeckt und gefühlt hat. Der Gedanke am Ende eines Lebens die faszinierendsten Reise-Momente ohne meine Partnerin erlebt zu haben törnt mich mittlerweile ziemlich ab.

Was daraus folgte

 

Daraus folgte erstmal, dass ich bereit war, Kompromisse einzugehen. Ich werde nicht mehr auf einer längeren Reise drei Wochen investieren, um einem mongolischen Schneeleopard aufzulauern und zu fotografieren (würde ich ernsthaft gerne mal machen und wüsste auch wie), um mal ein konkretes Beispiel zu nennen.

 

Doch gibt es eintausend faszinierende Destinationen, die meine Partnerhin genauso interessant findet wie ich? Definitiv!

 

Um die Frage vom Beginn aufzugreifen, ob das nicht „schwierig ist, naturfotografische Reisen mit meiner Partnerin zu absolvieren“: Nein, ist es überhaupt nicht, sondern einfach nur ein riesen Gewinn. Ja, Kompromisse muss ich eingehen, aber mit einer guten Planung kann ich diese reduzieren. Das setzt aber natürlich eine „Kleinigkeit“ voraus: dass ich eine Reise- und Natur-affine Partnerin habe, die die Faszination Natur teilt. 

Nun ist mir mal zu Ohren gekommen, dass sich die Partnerwahl angeblich sogar selbst beeinflussen lässt 😅 Aber darauf gehe ich jetzt nicht wirklich ein...

Was uns in der Umsetzung auf Reisen hilft

 

Es gibt ein paar konkrete Dinge, auf die ich bei Reisen bzw. deren Planung mittlerweile achte, damit aus einer gemeinsamen Reise kein fotografischer Egotrip wird und die Beziehung ausreichend Raum hat:

  • Erstmal fahre ich überhaupt nicht mehr irgendwo hin, wenn ich jemanden „überreden“ muss – wenn meine Partnerin richtig Lust auf das Ziel hat, ist es unser Ziel. Da aber faszinierende Spots zur Naturfotografie auch meist wunderbare Orte sind, ist es nicht sonderlich schwierig, einen gemeinsamen Nenner zu finden
  • Ich achte mittlerweile sehr darauf, dass wir nah an den Haupt-Fotospots wohnen. Das bedeutet, dass ich mich bei der Planung neuer Reiseorte, so wie zum Beispiel in den kommenden Wochen, sehr genau damit beschäftige, wo man idealerweise wohnt und mir das auch einiges kosten lassen. Das ist in beiden Fällen vorteilhaft:
    • Fotografiert der Partner mit, so wie Christina beispielsweise bei allen unseren längeren Reisen mit Schwerpunkt Landschaftsfotografie, sitzt man neben der Fotozeit nicht noch stundenlang im Auto und hat auch Zeit für andere Themen als für die Fotografie
    • Fotografiert der Partner nicht mit, so wie bei der Morgensession ab und zu auf Mallorca oder Texel, muss ich nicht mit zusätzlichen Fahrtzeit planen – das hatte ich einige Male, was zur Folge hatte, dass ich zwar pünktlich beim gemeinsam Frühstück den Tag startete, jedoch war ich spätestens am Nachmittag total platt
  • Mir ist eine gute Unterkunft wichtig. Vor allem, wenn man viel gemeinsam reist und das nicht nur ein einmaliges Jahreshighlight ist, wo man mal für kurze Zeit auf Komfort verzichten kann. Jahrelang habe ich früher gerne im Zelt oder im Auto geschlafen, und Christina würde das auch jederzeit wieder tun. Bis zu einem Alter von circa Ende 30 habe ich mir die Sache gerne schöngeredet, dass wir Komfort nicht brauchen. Mittlerweile ist mein Fokus aber nicht mehr was „völlig OK“ ist, sondern was wirklich gut für Zweisamkeit ist. Ein trockener Wohnraum, ein gemachtes, großes gutes Bett, ein geputztes warmes Bad und ein hergerichtetes leckeres Frühstücksbuffet sind einfach riesig von Vorteil, wenn man zu Zweit eine schöne Zeit verbringen möchte. Ja diese Kombi ist gerade in den nordischen Länder recht teuer, aber auch das ist es mir wert. Der einzige Grund aus meiner Sicht, heute noch darauf zu verzichten, wäre ein wochenlanger Roadtrip mit sehr vielen unterschiedlichen Standorten, dann macht z.B. ein Camper Sinn
  • Ich fange an 99% der Reisetage nicht an, tagsüber Irgendetwas zu fotografieren und nehme meine Kamera nur noch früh morgens und spät abends zu den idealen Zeiten zur Hand: auf unseren Reisen übernehmen wir tagsüber viel und stehen auch regelmäßig an beliebten und spektakülaren Fotospots - dabei nehme ich gar nicht mehr meine Kamera in die Hand, nur weil das Motiv gut ist.  Das schafft ganz viel Raum abseits der Fotografie
  • Wir meiden konsequent bestimmte Jahreszeiten bzw. Urlaubsregionen, wo sich eine entspannte Uhrzeit zum Ausklingen des Tages mit den Fotozeiten überschneiden. Es beschränkt einfach das Freiheitsgefühl, wenn ich aufgrund der Sonnen-auf und Untergangszeiten abends nicht noch andere Dinge tun kann außer Fotografieren. Zum Beispiel nett essen zu gehen. Am liebsten fotografieren wir vorher in den Sonnenuntergang und suchen dann z.B. gegen spätestens 21.00 Uhr ein Restaurant auf, da ist etwa auf der anstehenden Norwegenreise kein Thema
  • Bei Fotosessions, deren Motive für meine Partnerin im Ausnahmefall mal weniger interessant sind, spreche ich das vorher klar ab und reduziere ziemlich konsequent die benötigte Zeit auf die idealen Bedingungen. Zum Beispiel bei Sonnenuntergangsszenen reichen mir eigentlich immer 60-80 Minuten für die wirklich guten Lichtstimmungen, ich muss auch nicht auch noch alle mittelmäßig guten Lichtstimmungen mitnehmen.
  • Ich lasse mich auf die Präferenzen meiner Partnerin ein, auch wenn ich im Einzelfall der Meinung bin, andere Spots seien besser; ohne den Impuls von Christina hätte ich viele tolle Bilder nicht im Portfolio. Rückblickend bin ich beispielsweise froh, dass mich Christina überzeugte auf unserer Spanientour die Picos de Europa zu besuchen, sonst hätte ich etwa nie diese tolle Steinlandschaft erkundet:

Mein persönliches Fazit

 

Muss man Kompromisse hinnehmen, wenn man mit der Partnerin reist und fotografiert? Ich denke schon. Sind diese groß? Ich denke nicht! Eröffnet einem das auch neue fotografische Möglichkeiten? Ich denke Ja 😉

 

Damit fahre ich seit ein paar Jahren sehr gut; es ist ein tolles Gefühl, diese schönen Momente auf Reisen mit meiner Ehefrau zu teilen. Ich mache das nicht zum Dogma, aber wir händeln das bei 90% der Reisen so.

 

Auf langen Fahrten habe wir intensive Gespräche, wir genießen die kulturellen/kulinarischen Highlights nach einer Fotosession und freuen uns über das gemeinsame breite Grinsen, wenn uns auf der Heimfahrt ins Hotel wieder der Elch über den Weg läuft 😃

 

Das Abenteuer an einer Fotoreise ist sowieso nicht das Bild, sondern der Weg dahin; der Geruch bei der Wanderung, die unvorhergesehen Begegnungen, die wunderschöne Aussicht am Spot, die Freude über einen Wetterwechsel. Da gibt es viel Teilenswertes.

 

Ich möchte diesen Satz aus meiner Einleitung wiederholen: sicherlich ist es ein sehr persönliches Thema und wenn überhaupt nur zu geringen Teilen auf andere Lebenssituationen übertragbar. Trotzdem, wenn mir das nächste Mal wieder diese Frage gestellt wird, versende ich nur noch diesen Link 😅

 

Das sind meine Gedanken dazu. Ich wünsche euch einen schönen Tag!

Viele Grüße, Thomas